Aktuelles – 22.06.2021

Ein persönlicher Nachruf zum Tode von Claus Rolshausen (von Rolf Wortmann)

Am 24. Mai 2021, knapp drei Wochen vor seinem achtzigsten Geburtstag verstarb Prof. Dr. Claus Rolshausen. Er war 1973 einer der ersten an die neugegründete Universität Osnabrück berufenen Professoren. Als damaliger Student lernte ich ihn gleich mit Aufnahme des Lehrbetriebs im Sommersemester 1974 kennen. Er hatte in Frankfurt Soziologie, Politikwissenschaft und Volkswirtschaftslehre studiert und erhielt in Osnabrück eine Professur für „Politische Wirtschaftslehre“. Das war eine Umschreibung für „Politische Ökonomie“. In seiner an Marx orientierten Analyse der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft, als deren analytischen Kern er die Ökonomie sah, stand er damals in einer kritischen Auseinandersetzung mit der legendären „kritischen Theorie“. In einigen damals einflussreichen Publikationen plädierte Claus Rolshausen für die Entwicklung einer Gesellschaftstheorie, basierend auf einen Rekurs der marxschen „Kritik der politischen Ökonomie“.

Claus Rolshausen hat die Universität Osnabrück durch eine starke sozialwissenschaftliche Gesamtausrichtung als kritische Reflexionswissenschaft, die später von konservativen Kräften reichlich gerupft wurde, als „Reformuniversität“ ganz maßgeblich gestaltet. Das gilt insbesondere für den damaligen Fachbereich 1 und den Studiengang „Diplom Sozialwirt“, der eine an gesellschaftlichen – nicht beruflichen – Praxisfeldern orientierte curriculare Kombination von Soziologie und Ökonomie mit weiterer interdisziplinärer Perspektive in der Form des „Projektstudiums“ war. Dieser Studiengang, an dem unter anderen auch Bernd-Peter Lange und Harald Kerber ihren Anteil hatten, galt mit Recht immer als sein Geschöpf. Als gefühlt ewiger Dekan unseres Fachbereichs hat er diesen Ansatz, als Versuch die steigende Bedeutung der „Produktivkraft“ Wissenschaft für die gesellschaftliche Produktion und Reproduktion als kritische Wissenschaft in emanzipatorischer Absicht fruchtbar zu machen, bis zum Ende der neunziger Jahre verteidigt.

Für mich als junger Student war er eine herausragende Persönlichkeit. Er wollte zwar die alten Lehrformen, vor allem die Vorlesungen, überwinden, aber seine Lehrveranstaltungen gerieten doch häufig in die ungeliebte Form, weil wir ihm so gerne zuhörten. Wir wussten, was wir von ihm lernen konnten und genossen seine Fähigkeit – und zuweilen auch seine Engelsgeduld, uns auch komplizierte Sachverhalte verständlich zu machen. Seine angenehme gedämpfte Baritonstimme, die stets gleichmäßig dahinschwingende Rede ohne Füllsel, druckreif auch über lange Zeit, das war zudem auch ein Hörgenuss. Er war mir, nicht nur darin, damals ein Vorbild, er verkörperte noch das, was man einen nachhaltig eindrucksvollen akademischen Lehrer nannte und noch nennen kann.

Ich schrieb bei ihm meine Diplomarbeit und hatte nach vielen auch kontroversen Auseinandersetzungen als Fachschaftsvertreter, Fachbereichsratsmitglied und in etlichen Berufungskommissionen dann das Vergnügen und die Ehre, mit ihm auch persönlich „befreundet“ zu sein. Ich besuchte ihn oft in seinem am Ende der Welt gelegenen Kotten in Merzen, wo wir in langen Spaziergängen mir unvergessliche Gespräche führten und (politische) Debatten austrugen, deren Bedeutung sich nur als individueller Erinnerungswert würdigen lässt.

Die akademische Welt hat eine beeindruckende Persönlichkeit, die Wissenschaft einen kritischen und produktiven Geist und alle, die ihn näher kannten, einen großartigen, großzügigen und liebenswerten Menschen verloren. Der Rest ist Erinnerung und Trauer.

Prof. i.R. Dr. Rolf Wortmann


Rolf Wortmann war von 2002 bis 2020 Professor für Politikwissenschaft und Public Management und Sprecher des Profils Öffentliches Management an der Hochschule Osnabrück. Im Jahre 1979 hat er im FB 1 den Diplom-Sozialwirt erworben und wurde dort 1987 auch promoviert. Von 1982-2002 war er im damaligen Fachbereich Sozialwissenschaften als Lehrbeauftragter, als wissenschaftlicher Mitarbeiter und als Vertretungsprofessor tätig. Zusammen mit Ralf Kleinfeld hat er 2015 die Festveranstaltung „40 Jahre Fachbereich Sozialwissenschaften“ moderiert.