Nachruf auf Jost Halfmann
von Rolf Wortmann
Am ersten Weihnachtstag 2022 verstarb, nach kurzer schwerer und leidvoller Krankheit Jost Halfmann. Im Sommersemester 1975, ein Jahr nach Gründung der Universität Osnabrück, kam er als wissenschaftlicher Assistent für Soziologie an den damaligen Fachbereich 1. Der 1947 Geborene studierte von 1968 bis 1973 an der Universität Frankfurt Soziologie und Philosophie, wo er 1976 promoviert wurde. Bis zu seiner Berufung auf eine Professur an der TU Dresden für Soziologie im Jahre 1993 lehrte und forschte Jost Halfmann bis 1981 auf einer Assistentenstelle und von 1981 bis 1993 auf einer Professorenstelle an der Universität Osnabrück im Fachbereich Sozialwissenschaften. 1981 habilitierte er sich.
Unterbrochen wurde seine Tätigkeit in Osnabrück durch einen einjährigen Forschungsaufenthalt 1978/79 in den USA, zunächst an der Cornell University und am Massachusetts Institut of Technology, später 1984/85 an der Harvard University. Hinzu kamen zahlreiche Gastprofessuren in Nizza 1982, Berkeley 1989, dem dann – schon in Dresden – weitere in Wien 1994, Florenz 1996 und Berkeley 2000 und 2004 folgten. Diese reichhaltige Liste dokumentiert seine große internationale Vernetzung und Anerkennung für seine wissenschaftlichen Arbeiten. Seine Schwerpunkte lagen in der soziologischen Theorie, der Politischen Soziologie, der Techniksoziologie sowie der Wissenschaftssoziologie. Zu seinen zahlreichen Publikationen in wissenschaftlichen Fachjournalen zu Fragen der wohlfahrtsstaatlichen Inklusion und Exklusion, zur Risikosoziologie und zu den gesellschaftliche Problemwahrnehmungen der modernen Technik, treten intensive Forschungen über die Entwicklung und dem Funktionswandel von Wissenschaft. Diesem Thema widmete sich sein 1981 erschienenes Werk „Innenansichten der Wissenschaft. Die Vergesellschaftung der abstrakten Geistesarbeit und die Krise der Metatheorie“. Es war die Arbeit, in der wie zuvor in der Publikation „Marxismus als Erkenntniskritik“ seine philosophischen Interessen durchscheinen.
Jost Halfmann verstand sich in seiner Lehre und Forschung primär als Soziologe, und da stand seine Suche nach einer der gegenwärtigen Entwicklung angemessenen Gesellschaftstheorie im Zentrum. War in den siebziger Jahren die marxsche Theorie noch ein wesentlicher Bezugspunkt, wandelt sich das in den achtziger Jahren in die Richtung der Systemtheorie Niklas Luhmanns. Das fand, vorbereitet in diversen Aufsätzen, seinen umfassenden Ausdruck in seiner als Lehrbuch angelegten Publikation „Makrosoziologie der modernen Gesellschaft. Eine Einführung in die soziologische Beschreibung makrosozialer Phänomene“ aus dem Jahre 1996. Es war das Produkt von Vorlesungen, die er noch in Osnabrück und schon in Dresden gehalten hatte. Im gleichen Jahr erschien seine Einführung in sein Forschungsgebiet Techniksoziologie „Die gesellschaftliche ‚Natur‘ der Technik“.
Jost Halfmanns Wechsel nach Dresden war nicht nur für die Osnabrücker Studierenden ein großer Verlust. Er war ein sehr beliebter Lehrender, der es hervorragend verstand, auch hochkomplexe soziologische Probleme und Theorien anschaulich zu machen und zu vermitteln. Er war auch ein Verlust, weil er als Kollege engagiert um die Weiterentwicklung des Fachbereiches rang und sich für den diskursiven Austausch mit anderen Disziplinen stark machte. Es war stets ein Vergnügen, mit ihm diskutieren zu können.
Diejenigen, die zudem das Glück hatten, ihn nicht nur als Lehrenden bzw. Kollegen, sondern auch privat kennen gelernt zu haben, verlieren einen bescheidenen und stets hilfsbereiten Menschen. Jenseits seiner wissenschaftlichen Qualitäten bleibt seinen langjährigen Weggefährten eine einzigartige Persönlichkeit in Erinnerung, deren Wesensmerkmal die unvergessliche Menschlichkeit war.